Jan
23
2012

TÜR AN TÜR MIT DEM BLUES – ZUM TOD VON ETTA JAMES

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Über ein halbes Jahrhundert lang gehörte sie zu den Giganten der Black Music. Am 20. Januar ist Etta James im Alter von 73 Jahren in Riverside, Kalifornien, an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben.

von Ernst Hofacker

Wie eine Dampfwalze stürmte sie auf die Bühne, schnappte sich das Mikrophon und donnerte mit ihrem wuchtigen Organ durch eine Version von „Rock And Roll Music“, die so schnell keiner mehr vergaß, der diesen Auftritt erlebte. Und das waren nicht wenige, denn „Hail! Hail! Rock ’n’ Roll“, der Film, den Taylor Hackford 1986 zum 60. Geburtstag von Altmeister Chuck Berry drehte, gehört bis heute zu den eindrucksvollsten Dokumenten mit Musik aus den Gründertagen des Rock’n’Roll. Etta James, die hier einen Gastauftritt absolvierte, gehörte dieser Gründergeneration als eine der wenigen Frauen an.

Geboren am 25. Januar 1938 als Jamesetta Hawkins in Los Angeles, hatte sie alles andere als einen leichten Start. Ihre Mutter war selbst noch ein Kind und kümmerte sich kaum um ihr Baby, Etta wuchs bei Verwandten auf, geriet früh schon in ein kriminelles Milieu und war auf dem besten Weg, auf der Loser-Seite des Amerikanischen Traums zu stranden. Die Musik aber gab ihr Halt. Erste Erfahrungen sammelte sie im Gospelchor einer Baptistengemeinde, bald darauf, sie war noch ein Teenager, hatte sie ihre eigene Gesangsgruppe, The Creolettes. Kein Geringerer als der legendäre Johnny Otis entdeckte das Trio und verhalf ihm zu einer Studiosession, bei der „Roll With Me, Henry“, einen Antwortsong auf Hank Ballards Hit „Work With Me, Annie“, aufgenommen wurde. Die Nummer mauserte sich 1955 zum Überraschungshit, und Etta hatte ihre Bestimmung gefunden. Die Solokarriere allerdings kam erst in Gang, als sie 1960 bei Chicagos Chess-Label unterschrieb. Es folgte ihre wohl erfolgreichste Phase mit Hits wie „All I Could Do Was Cry“ und „Trust In Me“, Zum Höhepunkt wurde 1967 „I’d Rather Go Blind“, ihr wohl berühmtester Song, den die britische Bluesband Chicken Shack und Rod Stewart später auch einem Rockpublikum bekannt machten.

etta-james-original-album-classicsPrivate Krisen und Drogenprobleme machten Etta James in den folgenden Jahren zu schaffen, trotz ihrer immensen Reputation wurde es still um sie. Dennoch tauchte sie immer mal wieder auf, so 1978, als sie die Rolling Stones, selbst erklärte James-Fans, mit auf US-Tour nahmen, beim eingangs erwähnten Chuck Berry-Film im Jahr 1986 oder auch, als sie 1993 in die Rock’n’Roll Hall Of Fame aufgenommen wurde. Inzwischen wieder mit einem Plattenvertrag ausgestattet, legte sie in ihren reifen Jahren noch einige respektable Alben vor, die gekonnt ihr Spektrum zwischen zupackendem Rhythm’n’Blues und subtileren Jazzgefilden abschritten. In den letzten Jahren ihres Lebens jedoch machten ihr zunehmend gesundheitliche Probleme zu schaffen, so wurden Alzheimer und zuletzt Leukämie diagnostiziert. Am 20. Januar 2012 starb Etta James in Riverside, Kalifornien, an den Folgen einer akuten Lungenentzündung.
Ein filmisches Denkmal setzte ihr Hollywood bereits im Jahr 2008 mit der Chess-Hommage „Cadillac Records“, in der Beyoncé Knowles die Rolle der Etta James übernahm. Ihre Kunst hat Etta James in einem ihrer erfolgreichsten Songs einst selbst erklärt: „After all I’ve been through I’ve had to move next door to the blues“.

Der erwähnte Johnny Otis, Entdecker von Etta James und selbst eine der wichtigsten Schlüsselfiguren der amerikanischen Rhythm’n’Blues-Szene der fünfziger Jahre, starb bereits am 17. Januar 2012, drei Tage vor James, im Alter von 90 Jahren.