Aug
12
2011

JOSS STONE IM INTERVIEW: “ALLE INS GEFÄNGNIS”

Joss-stone

Aufregende Zeiten für Joss Stone: Gerade ist ihr Album LP1 erschienen, Mitte September kommt dann schon das Debüt der neuen All-Star-Gruppe Super Heavy, in der sie zusammen mit Mick Jagger singt. Im Interview erzählt sie von diesen Projekten, spricht aber auch über die Krawalle in London, den Abhörskandal in England – und ihre bevorzugte Droge.

Von Johannes Waechter

Hallo Joss, was sagen Sie zu den Krawallen in London und anderen englischen Städten?
Furchtbar, wirklich fruchtbar. Ich bin die Erste, die sagt, dass man protestieren und für Dinge eintreten sollte, an die man glaubt. Aber was jetzt passiert ist, hat für mich überhaupt nichts mit Protest zu tun. Da wurden kleine Läden zerstört, die Lebensgrundlage von Menschen. Das ist einfach nur abscheulich. An die Leute zu denken, die alles verloren haben, macht mich sehr traurig.

Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen für diesen plötzlichen Ausbruch der Jugendgewalt?
Das waren nicht nur Jugendliche, da waren Menschen zwischen 16 und 40 dabei. Ich denke, die Sparmaßnahmen der Regierung machen die Leute wütend, und es liegt wohl auch in der menschlichen Natur, dass es zu solchen Ausbrüchen kommen kann. Die sagen sich: Warum nicht? Wenn ich im Gefängnis sitze, habe ich dort auch meinen Fernseher und bekomme mein Essen. Aber ich hoffe, dass diese Menschen alle ins Gefängnis kommen. Jeder einzelne von ihnen.

In der britischen Politik geht es gerade recht turbulent zu. Der Medienskandal um die Abhörpraktiken der Murdoch-Blätter ist auch noch nicht lange her – ist Ihr Telefon auch abgehört worden?
Ich weiß es nicht. Seit einiger Zeit höre ich beim Telefonieren komische Nebengeräusche. Ich habe gar nicht weiter drauf geachtet, jetzt habe ich gedacht, mein Gott, vielleicht hören sie mich auch ab! Aber ich kann ihnen eines sagen: Die wären ziemlich enttäuscht, wenn sie mein Telefon abhören würden, mein Leben ist ziemlich langweilig.

Wie kommen Sie mit der englischen Klatschpresse klar?
Ich versuche, mich davon fernzuhalten. In England gebe ich zum Beispiel nicht so viele Interviews. Zum Glück beachten mich diese Blätter nicht besonders.

Haben Sie deshalb das neue Album LP1 in Nashville aufgenommen, weit weg von England?
Nein, eigentlich nicht. Das kam so, dass Dave Stewart mich anrief, ich war gerade in einem Yachthafen in Spanien, und fragte, ob ich Lust hätte, nach Nashville zu kommen. Er sei gerade mit dieser tollen Band im Studio, ob ich nächste Woche ein bisschen jammen wolle, man könne auch ein Album machen. Also bin ich rübergeflogen und habe mit ihm in einer Woche das Album aufgenommen. Und dann bin ich zurück zum Boot geflogen und habe weiter daran rumgeschrubbt.

Eine Woche — so schnell sollte man immer Platten machen, oder?
Ja, eigentlich schon. Die Musiker waren halt richtig super. Die wussten genau, was sie taten. Alle sind im Studio, man drückt den Aufnahmeknopf und weiß, dass etwas gutes dabei herauskommen wird. Ein gutes Gefühl.

Wer Ihre alten Platten kennt, ist wahrscheinlich ein bisschen überrascht von Ihrer neuen musikalischen Richtung.
Ich war selbst überrascht!

Sie machen nicht mehr Soul, sondern eher Country Rock. Kam diese Idee von Dave Stewart, der das Album produziert hat?
Dave hat den Rock reingebracht. Aber die anderen Musiker haben das Album auch sehr geprägt. Die haben den Sound diktiert, ich habe mitgemacht. Als ich rübergeflogen bin, hatte ich keinen Schimmer davon, wie es klingen würde. Als ich wieder zu Hause war und mir die Aufnahmen angehört habe, dachte ich, mein Gott, was habe ich getan?! Ich bin jetzt eine Countrysängerin! Inzwischen gefällt mir die Platte.

Jeder redet über Ihre neue Gruppe Super Heavy, in der sie zusammen mit Mick Jagger singen. Die Mitgliedschaft dort verdanken Sie auch Dave Stewart, oder?
Ja, er hat immer so verrückte Ideen. Manche sind sehr abgedreht, manche etwas praktikabler, aber alle bringen etwas in Gang. Er hat mich angerufen und gesagt: Ich gründe diese Band mit Mick, möchtest du auch mitmachen? Ich: Ja, klar! So einfach war das. Als hätte er gefragt, ob wir zusammen in den Pub gehen wollen, ein Bier trinken.

In den Videos, die man auf Youtube sehen kann, macht Mick Jagger einen unglaublich aktiven, aufgedrehten Eindruck.
Er ist ein sehr energiegeladener, lebhafter Mensch. Sein Alter merkt man ihm überhaupt nicht an. Er rockt die Sache.

Hat er Ihnen musikalische Tipps gegeben?

Ja, aber eher unbewusst. Er hat sich nicht mit mir hingesetzt und mir Hausaufgaben aufgegeben. Diese alten Musiker, diese lebenden Legenden, die bringen dir etwas bei, ohne es extra zu planen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich in den letzten zehn Jahren viel von solchen Leuten lernen konnte.

Sie haben mit Legenden wie Stevie Wonder, Gladys Knight, Rod Stewart, Ringo Starr und Tom Jones gesungen. Warum fühlen sich so viele ältere Musiker zu Ihnen hingezogen?
Das weiß auch nicht. Ich mage es einfach, Duette zu singen. Wenn ich gefragt werde, sage ich nur selten nein – warum sollte ich. Selbst wenn es ein ganz anderer Stil ist, probiere ich es aus.

Besonders schön fand ich ihr Duett mit Smokey Robinson.
Oh, er ist wirklich nett. Und er hat immer noch diese tolle Stimme. Ich bin mit ihm bei Jay Leno aufgetreten und fühlte mich einfach sehr geehrt, dass jemand wie Smokey mich mit auf die Bühne genommen hat. Ich hoffe, dass ich ähnliches machen kann, wenn ich älter bin.

Gibt es denn jemand, mit dem sie gerne eine Duett singen würden?
Es gibt diese neue Sängerin namens Birdy, mit der würde ich gerne mal singen. Die ist erst 15 oder so. Sie hat eine sehr dünne, aber wirklich schöne Stimme, ein bisschen wie Joni Mitchell.

Letzte Frage: Ihr neues Label heißt Stone’d Records. Darf man daraus den Schluss ziehen, dass Sie gerne kiffen?
Ja, das spielt da mit rein. Wenn man mir eine Frage stellt, dann antworte ich auch. Eines Tages fragte mich einer: Rauchst du Gras? Ich antwortete: Ja. Da gab es dann ein bisschen Aufregung. Aber warum soll man nicht darüber reden können? Ich mag es, die Dinge nicht allzu ernst zu nehmen.

Joss Stones neues Album “LP1″ ist Ende Juli bei Stone’d/Surfdog Records erschienen. Das Debütalbum von Super Heavy erscheint am 16. September bei Universal.

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Johannes Waechter, 1969 geboren, stammt aus Berlin und war Mitte der Neunziger Musikredakteur der Berliner Stadtzeitschrift Zitty. Seit 1999 ist er Redakteur beim SZ-Magazin, wo er in den Jahren 2005 und 2006 zusammen mit Philipp Oehmke die Süddeutsche Zeitung Diskothek herausgegeben hat, eine 52-bändige Buch/CD-Reihe zur Geschichte der Popmusik. In diesem Blog geht es nicht nur um das derzeitige Popgeschehen, sondern vor allem um den großen Zusammenhang zwischen vergangener und aktueller Musik, inspiriert von Bob Dylans Worten: “It’s always good to know what went down before you, because if you know the past, you can control the future”.