

Von Anfang fielen Pink Floyd und ganz besonders ihr Spiritus Rector Roger Waters aus dem Rahmen: Wohingegen die meisten anderen englischen Popmusiker der 1960er-Jahre vor ihrer Karriere Kunstschulen besucht hatten, waren Pink Floyd - mit Ausnahme von Syd Barrett am damaligen Londoner Polytechnikum eingeschrieben, wo sie Architektur studierten. Waters war dort seit 1964 als Student registriert und hatte ernsthaft eine Laufbahn als Ingenieur ins Auge gefasst. Als Pink Floyd nach Barretts Ausscheiden gezwungen waren, einen neuen musikalischen Kurs zu finden, schlug der besondere Background der Musiker prompt auf ihre Musik durch - wohl keine andere Band jener Jahre verfolgte bei der Konstruktion ihrer Musik einen so offenkundig "architektonischen" Ansatz.
Pink Floyds weit ausholende Rocksuiten schienen mit coolem Intellekt konzipiert, Songs wie "Echoes" und Konzeptwerke wie "The Dark Side Of The Moon" und "Wish You Were Here" wirkten trotz der Verwendung komplexester musikalischer Elemente ungemein homogen und beeindruckten im Aufbau mit dramaturgischer Logik.
Selbes bei Rogers Solowerk, und hier besonders "Amused To Death", das den Floydschen Musikkosmos gelegentlich augenzwinkernd zitiert. So erkennt man im dritten Teil von "What God Wants" das Echolot von "Echoes" wieder, und im Titeltrack benutzt Waters zur Eingangszeile ein Zitat seines PF-Songs "Take Up Thy Stethoscope And Walk" vom Album "The Piper AT The Gates Of Dawn" (1967).
Offenbar hat Roger Waters die politischen Ansichten seines Vaters geerbt. Eric Waters war nach seiner Zeit in der Sozialistischen Partei zum Kommunisten geworden - und auch sein Sohn hat in Statements immer wieder tendenziell linke Positionen vertreten. In seiner Musik offenbarte sich das schon zu Beginn, wenngleich es auf Alben wie "The Dark Side Of The Moon" und "Animals" weniger um konkrete Politik als um die fundamentale Kritik an der modernen Konsumgesellschaft und die Auseinandersetzung mit Problemen wie Entfremdung und Desinformation ging. Waters aber behandelte diese Themen aus einer deutlich marxistischen Perspektive.
Schlagzeilen generierte der Musiker in den letzten Jahren auch durch seine wiederholte Kritik an der Politik der aktuellen israelischen Regierung, die er mit dem Holocaust der Nazis und dem Apardheid-Regime von South Africa verglich. In diesem Zusammenhang hat er 2014 gemeinsam mit Pink-Floyd-Drummer Nick Mason in einem offenen Brief die Rolling Stones aufgefordert, von einem geplanten Konzert in Tel Aviv abzusehen. Allerdings vergeblich. Zudem kritisierte Waters die US-Schauspielerin Scarlett Johannson, als deren Engagement als Werbepartnerin der israelischen Firma SodaStream bekannt wurde. Dem Vorwurf des Antisemitismus wirkt Waters indes entschieden entgegen.
In "Perfect Sense, Part 1", einem der Songs von "Amused To Death", sagt ein Affe: "Memory is a stranger, history is for fools." Eine Aussage, die falscher nicht sein kann, wenn man Rogers Biografie und seine Musik betrachtet. Von Anfang an galt sein Werk einer geschichtsbewussten Sicht der Dinge und der Erinnerung an die Kriegstraumata seiner Kindheit. Immer wieder thematisierte der Pink-Floyd-Bassist dies auch in den Texten der Floyd-Songs. Vor allem trifft dies auf "The Wall" und "The Final Cut" zu.
Auch auf seinem Soloalbum "Amused To Death" spielt das Thema Krieg und dessen mediale Ausschlachtung die zentrale Rolle. Namentlich bezieht sich Waters in einzelnen Textpassagen auf den zum Release-Zeitpunkt des Albums gerade erst beendeten sogenannten Zweiten Golfkrieg (1990/91), den US-Schlag gegen Libyen im Jahr 1986 und nicht zuletzt den Ersten Weltkrieg (1914-1918). Letzterer bildet mit dem Monolog des WK1-Veteranen Alfred Razzell, der von seinem gefallenen Kameraden Bill Hubbard berichtet ("The Ballad Of Bill Hubbard"), die dramaturgische Klammer dieses Konzeptalbums.
Roger Waters galt schon in den ersten Pink-Floyd-Jahren als starker Charakter. Nach dem Rauswurf des Bandinitiators und Hauptsongschreibers Syd Barrett im Jahr 1968 war er es gewesen, der die inhaltliche Ausrichtung der Band in die Hand genommen hatte. Erst recht gilt das um die Zersetzungsphase der Band, die mit der Entstehung des legendenumwobenen Doppelalbums "The Wall" im Jahr 1979 einsetzte. Nicht wenige machen Waters und seinen kompromisslosen Leader-Anspruch zum Auseinanderbrechen der Band verantwortlich. So war der Bassist nach seinem Ausscheiden bei Pink Floyd im Jahr 1985 mit seinen ehemaligen Kollegen David Gilmour, Rick Wright und Nick Mason jahrzehntelang zerstritten und in gerichtliche Auseinandersetzungen verwickelt. Erst im Jahr 2005 kam es zum "Live 8"-Konzert in London wieder zu einem gemeinsamen Auftritt der vier Musiker.
×Bereits im Alter von wenigen Monaten verlor der 1943 nahe London geborene Roger Waters seinen Vater. Eric Fletcher Waters, Offizier des Royal Fusilier Regiment und im Zivilberuf Lehrer, war im Februar 1944 in der Schlacht von Anzio nahe Rom ums Leben gekommen. Sein Sohn Roger war daraufhin in Cambridge allein mit der Mutter und einem Bruder aufgewachsen.
In Interviews betonte Waters immer wieder, dass er sich mit dem Verlust des Vaters und der vaterlosen Kindheit zeitlebens auseinandergesetzt habe. Viele Pink-Floyd-Songs reflektieren dieses Thema. Das Album "The Final Cut" hat Waters sogar explizit seinem Vater gewidmet.
70 Jahre nach dem Tod des Vaters, am 19. Februar 2014, weihte Roger Waters in Anzio ein Denkmal der im Kampf gegen die Wehrmacht gefallenen Soldaten ein.
Die Inspiration zum dritten Soloalbum von Roger Waters lieferte das Buch "Amusing Ourselves To Death" des US-amerikanischen Professors und Medienwissenschaftlers Neil Postman (1931-2003), in dem der Autor eine fundierte Kritik an unserer postmodernen Medienkultur formulierte. Waters fand seine skeptische Weltsicht in Postmans Werk wieder und entwickelte daraufhin ein Albumkonzept, das er einmal so umschrieb: "Ich hatte die deprimierende Vorstellung, dass eine fremde Intelligenz unseren toten Planeten entdeckt, daraufhin mit ihren Raumschiffen zu uns kommt und unsere Skelette um Fernseher herum versammelt vorfindet. Sie versuchen herauszufinden, wie es passieren konnte, dass die Menschheit vorzeitig ausgestorben ist, und kommen zu dem Schluss: amused to death."
Eine beklemmende Vorstellung, zumal das mit dem Szenario verbundene Thema seit dem Erst-Release von "Amused To Death" vor 23 Jahren nichts von seiner Relevanz verloren hat. Nur dass die Skelette heute wohl ein Smartphone in der Hand hielten…
Das Solo-Erstwerk des Pink-Floyd-Bassisten bot eine faszinierend komplexe Reise durch Bewusstsein und Gedankenwelt eines Midlife-Crisis-geplagten Mannes um einen Roadtrip durch Kalifornien. Mit den Gastmusikern Eric Clapton und David Sanbourn.
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Waters' erste Arbeit nach der Trennung von Pink Floyd. "Radio K.A.O.S." ist ein Konzeptalbum, das aus der Sicht eines behinderten Jungen den Kalten Krieg und Margret Thatcher's Neoliberalismus behandelt.
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Konzeptalbum Nr. 3 in Waters' Solowerk befasst sich einmal mehr mit den Gefahren des Militarismus, diesmal allerdings unter dem Gesichtspunkt seiner medialen Aufbereitung. Gastmusiker: Jeff Beck, Rita Coolidge und Don Henley.
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Live-Mitschnitt von Roger Waters' US-Tournee der Jahre 1999/2000, der sich hier vor allem auf das Pink-Floyd-Euvre konzentriert. Mit Klassikern wie "Comfortably Numb", "Money" und "Set The Controls For The Heart Of The Sun".
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Flickering Flame: The Solo Years, Vol.1
Die wichtigsten Songs von Rogers Alben "The Pros And Cons Of Hitchhiking", "Radio K.A.O.S.", "Amused To Death" und "In The Flesh". Angereichert um Perlen wie Demoversionen und eine Coverversion von Bob Dylans "Knocking On Heaven's Door".
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Alles dran, alles drin: In dieser hochwertigen Box finden sich alle hier genannten Soloalben inklusive "Ca Ira" und dazu als besonderes Highlight ein DVD-Konzertmitschnitt, der am 27. Juni 2000 in Portland, Oregon, aufgenommen wurde.
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